„Ihr kriegt uns niemals auf die Knie“: Hymnen der Bewegung treffen auf Vernetzung, Austausch und innovative Konzepte!
Menschlich Werte Schaffen bringt am 25./26. Mai 2024 Visionäre und Initiativen zusammen
Autor. Sven Tietgen, Jahrgang 1959, lebt in Bordesholm.
Freier Journalist seit 2001 (unter anderem Kieler Nachrichten) und Musiker (afro-kubanische Percussion)
Ein Erlebnisbericht
Das Treffen von Menschlich Werte Schaffen in Kloster Zinna ist für mich die erste Live-Begegnung mit der Genossenschaft – und startet gleich zu Beginn mit sinnesstarken Eindrücken. Freundliche Menschen streifen uns bei der Anmeldung einen gelben Wollfaden ums Handgelenk, ein mit alten Bäumen umsäumter Weg nimmt uns auf, er führt zu einer ehemaligen Turnhalle und durch den weiten Schlosspark. Unterwegs ruft ein Chor aus Fröschen und Kröten vom Schlossteich herüber.
In die zum zentralen Treffpunkt umfunktionierten Halle strömen gut 100 Menschen – Mitglieder der Genossenschaft ebenso wie Gäste, die wie ich erst vor wenigen Wochen in Kontakt mit Menschlich Werte Schaffen gekommen sind. Um mich herum gibt es eine Menge Umarmungen und viele „Ach wie schön, dich mal wieder zu sehen“-Rufe.
Dem fröhlichen Gesprächsrauschen in der Halle setzt Sabine Langer vom Vorstandsteam mit dem Appell eines alten Mystikers ein kurzes Ende: Die Mitbegründerin bittet alle, in einer kurzen inneren Einkehr das wahre innere Wesen zum Leuchten zu bringen. Dann wird es Zeit für das zweitägige Programm – und das haben die Akteure, unter anderem die weiteren Vorstandsmitglieder Henryk Mioskowski und Ines Dietrich, voll gepackt mit Arbeitsgruppentreffen, Vorträgen sowie Kunst- und Kulturaktionen.
Bei den mehrstündigen Arbeitstreffen diskutieren die Teilnehmer neue Ideen und konkrete Konzeptansätze aus den Bereichen Gesundheit, Webseite und Handelsaktivitäten, die Menschlich Wirtschaften Läden oder Innovationen in Gemeinschaften. Ich entscheide mich für den Kunst und Kultur-Workshop – auch um endlich mal Jens Fischer Rodrian kennen zu lernen. Der Musiker gehörte während der Coronakrise zu den vielen Künstlern, die ihr Eintreten für Freiheit und Selbstbestimmung mit dem Verlust zahlreicher Auftrittsmöglichkeiten bezahlten. In der Runde erlebe ich den Sänger und Multiinstrumentalisten als positiv denkenden Menschen, der den nach wie vor grassierenden Auftrittsverboten auch viel Gutes abgewinnen kann. Denn mittlerweile entstehen immer mehr Orte, die Jens Fischer Rodrian eine neue Bühne bieten – mit und ohne seine Ehefrau und Sängerin Alexa Rodrian. „Ich habe in den vergangenen zwei Jahren unglaublich viele tolle Leute, Festivals und andere großartige Auftrittsorte kennen gelernt, “, erzählt der Musiker, der früher auch mit Konstantin Wecker auftrat.
Schenkungen nehmen wir entweder mit dem Paypal Button am Ende unserer Webseite oder per Überweisung aufs Bankkonto: DE93 1001 1001 2624 3740 74
Satoshi schenken: https://getalby.com/p/holyoly
Bei den mehrstündigen Arbeitstreffen diskutieren die Teilnehmer neue Ideen und konkrete Konzeptansätze aus den Bereichen Gesundheit, Webseite und Handelsaktivitäten, die Menschlich Wirtschaften Läden oder Innovationen in Gemeinschaften. Ich entscheide mich für den Kunst und Kultur-Workshop – auch um endlich mal Jens Fischer Rodrian kennen zu lernen. Der Musiker gehörte während der Coronakrise zu den vielen Künstlern, die ihr Eintreten für Freiheit und Selbstbestimmung mit dem Verlust zahlreicher Auftrittsmöglichkeiten bezahlten.
Die 20 Zuhörer erzählen reihum von teils bitteren Erfahrungen – Songwriter auf der endlosen Suche nach Auftrittsmöglichkeiten oder Schauspieler, die aus ihrem Ensemble geflogen sind. Andere verbreiten Zuversicht, erzählen von bisher unbekannten Bühnen oder stellen sich selbst als Vertreter von Initiativen aus der regierungskritischen Szene vor, die ein eigenes Kunst- und Kulturprogramm auf die Beine stellen. Spontan entwickelt sich der Plan, für freiheitsliebende Künstler eine Sozialabgabe zu entwickeln. Kurzerhand rückt das Thema als zusätzlicher Gesprächspunkt in eine Menschlich Wirtschaften-Arbeitsgruppe.
Eine auf die Schnelle gebastelte Sammelbox wandert durch das Publikum, als das „Triple A Theater Potsdam“ am Nachmittag die Bühne entert. Während die drei Schauspielerinnen unter der Überschrift „Moralinsüß“ eine pfiffig-amüsante Kulturgeschichte der Doppelmoral aufführen, stecken viele Zuschauerinnen und Zuschauer zwischen ihren Beifallsbekundungen den einen oder anderen Geldschein in den Kasten. Die Theatergruppe freut sich über den frenetischen Applaus, bittet aber auch um Unterstützung – die Compagnie braucht dringend einen Produktionsleiter.
Nach dem Theaterauftritt ist Essenspause, die von vielen als Kontaktbörse genutzt wird. Sätze wie „Ach, du bist auch im Gesundheitsbereich unterwegs, was machst du denn so?“ schwirren durch die Räumlichkeiten. Visitenkarten wechseln den Besitzer, Telefonnummern werden in Mobiltelefone getippt. Zwischen den Programmpunkten schlendern viele zu den Ständen von Mitgliedsbetrieben der Genossenschaft. Friederike de Bruin zum Beispiel stellt ihr selbst produziertes Öl vor, erzählt vom Herstellungsprozess und lädt zum Probieren ein. Nebenan stellt die Initiative für eine Freie Schule in Potsdam ihr Konzept vor, nachgefragt ist auch das Menschlich Wirtschaften-Projekt zur Herstellung biozyklischer Humuserde. Dann tritt Wolfgang Wodarg auf: Der Mediziner referiert zwei Stunden unter anderem über Wege, wieder Vertrauen in die regionale und nationale Gesundheitsversorgung zu fassen.
Eigentlich bin ich zu diesem Zeitpunkt bereits randvoll abgefüllt mit Eindrücken, Informationen, Begegnungen und Ideen. Trotzdem schleppe ich mich zum Abschluss des Tages zum Konzert von und mit Jens Fischer Rodrian, Alexa Rodrian und dem Cellisten Stephan Schrader. Der Auftritt des Trios ist grandios – jede Menge Bühnenpower, gepaart mit viel Herzenswärme und emotionalen Momenten wie der Erinnerung an den Krieg und das Leiden der Menschen in Gaza. Für zusätzliche Verbindung im Publikum sorgt auch der Widerstandsklassiker von Jens Fischer Rodrian Niemals auf die Knie – und den Refrain „Ihr kriegt uns niemals auf die Knie“ singe ich gerne mit.
Auch am zweiten Tag werden in den Arbeitsgruppen spannende Ideen und neue Wege diskutiert. Da geht es um die Förderung junger Leute in einem Wanderjahr, der Stimme als Ausdruck von Freiheit oder auch genossenschaftliche Aspekte wie Webseite und Marktplätze, Sozialbeitrag, Budget. Mich zieht es zur Gruppe, die über Entwicklungsmöglichkeiten von Menschliche Werte Medien nachdenkt. Dieses neue Medium soll breit aufgestellt werden – mit Formaten wie Video, Podcast, Texten oder Radio. Noch wichtiger ist den Akteuren um Workshopleiter Oliver Schindler, wie Geschichten erzählt und Themen innerhalb wie außerhalb von Menschlich Werte schaffen angegangen werden: Mit Empathie, aber auch kritischem Nachfragen, den Blick auf Positives und verschönerungstheoretischen Ansätzen lenken, aber auch die Analyse nicht vermeiden. In zukünftigen Treffen soll es auch um Möglichkeiten gehen, mehr Reichweite zu erzielen – und dabei auf Dramatisierungseffekte zu verzichten.
Von dem zweitägigen Treffen nehme ich für mich viele Impulse, neue Gedanken und spannende Begegnungen mit. In Gesprächen nehme ich wahr, dass es vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern ähnlich geht. Was mich zusätzlich berührt: Auf dem Treffen erlebe ich keine abfälligen Bemerkungen, Schimpftiraden oder andere negative Äußerungen. Statt dessen sind Offenheit, Neugier, Achtsamkeit und Vertrauen angesagt – und auch deshalb freue ich mich auf ein nächstes Genossenschaftstreffen.